Ergreifende Hommage an Neruda

Vertonte Liebesgedichte des Chilenen von „Madrugá flamenca“ in eindrucksvollen Tanz umgesetzt.

Es war keine leichte Aufgabe, der sich das Freiburger Ensemble „Madrugá Flamenca“ gestellt hatte. Zum 100. Geburtstag des chilenischen Dichters Pablo Neruda hat die Formation um Gitarrist Jörg Hofmann und Tänzerin Sybille Märklin ein Programm kreiert, um den 1971 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Schriftsteller auf besondere Weise zu ehren. Das Ergebnis, das seit Mitte vergangenen Jahres zu erleben ist und nun erstmals auch im Pforzheimer Kulturhaus Osterfeld präsentiert wurde, kann sich dabei sehen, hören und erleben lassen, denn „Madrugá Flamenca“ ist es gelungen, durch die Symbiose der Neruda-Texte mit Musik und Tanz eine ergreifende Hommage an den Schriftsteller zu komponieren, der nach einem turbulenten Leben 71-jährig im September 1973 in Santiago de Chile starb.

Doch nicht das weitgehend von Politik geprägte Leben Nerudas haben Märklin und Hofmann gemeinsam mit Jörg Benzing (Querflöte), Markus Lechner (Kontrabass) und Frank Bockius (Percussion) im Kulturhaus vorgestellt, sondern vielmehr das Musik und Tanz gewordene Neruda-Werk „veinte poemas de amor y una canción desesperada“. Jörg Hofmann, der jahrelang in Spanien gelebt hat und sich dort nicht zuletzt in Zusammenarbeit mit zahlreichen bekannten Künstlern der iberischen Halbinsel profunde Kenntnisse in der Kunst des Flamenco erworben hat, hat für das aktuelle Programm von „Madrugá Flamenca“, die Liebesgedichte Pablo Nerudas vertont. Sie verschmelzen dabei auf beeindruckende Weise mit den harmonischen Kompositionen und werden, in Kombination mit dem expressiven Tanz Sybille Märklins, zu einem sehenswerten Gesamtkunstwerk, das voller Energie, Kraft und zu Bewegung gewordener Lyrik steckt. Sehr gelungen vor allem die dezent von Jazz geprägten Kompositionen, mit denen Hofmann eine neue, eigene Form des Flamencos begründet hat.

Herrlich, wie es Märklin schafft, das Publikum mit ihren ebenso anmutig stolzen wie sensiblen Bewegungen in den Bann zu ziehen, wie sie die expressive Kraft der Worte Nerudas in den traditionellen Formen der Farrucas, Soleares oder Bulerias körperlich auszudrücken versteht und all die Emotionen, die der chilenische Autor in seinen Gedichten verarbeitet hat, spannend in Mimik und Gestik zu packen vermag. Dabei begeistert vor allem die Leichtigkeit, mit der sich Märklin präsentiert und das Publikum einlädt, sich ganz der Leidenschaft Nerudas hinzugeben. Herrlich choreografiert entführt Märklin die Zuschauer in die spannende (Gedanken-)Welt Nerudas, die bunt und bewegt, sanft und doch in ihrer Gesamtheit überaus gewaltig ist.

Pforzheimer Zeitung, 4/05