Auch das kleine spanische Bergdorf Ronda ist nicht von der internationalen Musik ausgeschlossen worden. Deshalb erklang der Flamenco im Bürgerhaus in Herrentierbach nur im toccatenhaften Beginn der Rondeña in völliger klanglicher Reinheit und auf die Gitarre Jörg Hofmanns beschränkt.
Doch allein der Umstand, dass da kein Spanier spielte, weist schon auf Ungewöhnliches hin. Denn das Ensemble Madrugá Flamenca setzt sich aus deutschen Musikern und einer aus Hohenlohe stammenden Flamencotänzerin, Sybille Märklin, zusammen. Zwei Ensemblemitglieder – die Tänzerin und der Gitarrist und zugleich Komponist der sehr abwechslungsreichen Stücke des Abends – wurden allerdings in Spanien ausgebildet, und das war unüberhörbar und nicht zu übersehen.
Denn Sybille Märklin ließ völlig vergessen, woher sie stammte. Sie tanzte ungemein kraftvoll, gespannt und ausdrucksstark. Das betraf nicht nur den Einsatz ihrer Füße, die zuweilen zu wahren Perkussionsinstrumenten mutierten, sondern vor allem ihre Gestik und Mimik. Die konnten auch verspielter sein, etwa wie zur Lebensfreude ausdrückenden „Cantiñas“. Hier liessen sich Akzentsetzungen in unglaublich schneller Ausführung erleben.
Sybille Märklin verstand es, sowohl zu klassisch wirkenden Flamencostücken zu tanzen, als auch zu jazzbeeinflusster Musik, wie sie das Trio um Jörg Hofmann sehr oft bot, insbesondere im letzten Stück, in dem ein spanisches Wiegenlied, „Nana por Soleá“ mit einem amerikanischen „Summertime“ vermischt wurde. Hier konnte Sybille Märklin den Nuancenreichtums ihres Tanzes präsentieren.
Überhaupt war das Konzert hindurch eine Stilisierung der Flamencomusik zu verzeichnen. Die gelang durch den Klang von Jörg Benzings Querflöte, der alle Register einer typischen Jazzspielweise zog: unter anderem mit Tremoli, Flatterzungenabschnitten oder sich verlaufenden schnellen Figuren. Markus Lechner trug auf seinem oft kantabel, manchmal auch perkussiv gespielten Kontrabass weniger zum Jazzidiom bei.
Da wirkten schon eher die harmonischen Wendungen, die Jörg Hofmann seiner Gitarre entlockte und damit einen Klang generierte der zuweilen sehr stark an Formationen wie „Jazzpaña“ erinnern ließ. Diese modernisierte Fassung des Flamenco stieß nicht etwa auf Kritik im Publikum, sondern auf begeisterten Beifall. Der Flamenco gehört eben auch Europa.
Hohenloher Tagblatt, 6/02