|
|
Im Feuer einer Nacht dahingeschmolzen
"Madrugá flamenca" verzaubern Hanau mit ihren Liebes-Rhythmen
Wenigen Stunden des Tages wird so viel Mystisches zugeschrieben wie dem anbrechenden Abend.
Für Romantik und Erotik scheint es kaum einen passenderen Zeitpunkt zu geben, als den
Untergang der Sonne, die Dämmerung. Es war der Zauber einer lauen Sommernacht, der sich
vergangenes Wochenende über den Hanauer Culture Club legte, um sich schließlich
hoffnungslos zu entflammen: Ein knisterndes Feuer, das eben diese emotionalen Spannungen
versprühte, getragen auf der Performance von "Madrugá flamenca".
Unter den Freunden zeitgenössischer Flamenco-Kultur ist das Ensemble um Tänzerin
Sybille Märklin, Sänger und Gitarrist Jörg Hofmann, Flötist Jörg Benzing,
Bassist Markus Lechner und Frank Bockius an den Percussions lange kein Geheimtipp mehr.
Ihre Verbindung aus Tanz und Instrumentalstücken, durchsetzt vom Charme des modernen
Jazz und dennoch in der Tradition der spanischen Folklore angesiedelt, begeisterte auch im
Culture Club. Sowohl von hörbarem Innovationswillen auf der einen, als auch vom Anspruch
der klassischen Flamenco-Literatur auf der anderen Seite beseelt, entwerfen "Madrugá
flamenca" ihre eigene Interpretation moderner Weltmusik. Ihr aktuelles Programm "Poemas de amor",
eine Hommage an die Gedichte des chilenischen Literatur-Nobelpreisträgers Pablo Neruda,
zeugt von diesem Anspruch. Die Worte des Autors dienen den Künstlern als Brücke
zwischen Tanz und Gesang. Hier vertont, dort rezitiert, bilden Nerudas Gedichte dabei mehr
als den Rahmen des Dargebotenen.
Im Culture Club eröffnete sich eine energiegeladene Tanzperformance, die sich im
harmonischen Spiel der Instrumente ergoss, den Inhalt der Verse reflektierte, wie es über
keine andere Ausdrucksform möglich gewesen wäre. Durch feenhafte Grazie bestach
Sybille Märklin, die mit ihrem Körper sowohl sinnliches Verlangen, als auch brodelnde
Lust darzustellen vermochte. Vor einem sparsam arrangierten Bühnenbild entwickelte sie eine
eigenwillige Form des Ausdruckstanzes, in dem sie frei wirkte, wie die Möwen, die zum Eingang
des Programms zu hören waren: Frei, und dennoch gefangen im Korsett der sich verzehrenden
Latino-Rhythmen.
Im Wechselspiel zwischen Licht und Schatten, zwischen Stille und dem treibenden Staccato des
Flamenco verschmolzen Märklins Bewegungen mit den Melodien des Ensembles zu einer sinnlichen
Einheit. Jörg Hofmann, der den vielschichtigen Gedichten Nerudas seine Stimme lieh, vermochte
es, gerade die Gefühlswallungen zwischen den Zeilen zu vermitteln, ihre Metaphern zu
entschlüsseln. Der romantische Abend entließ den Zuschauer mit dem Gefühl des
Morgens danach: Erinnerungen, die sanft auf der Haut prickeln, als wäre heute gestern und
Leidenschaft mehr als nur ein eher selten gehaltenes Verspechen.
Hanauer Anzeiger, 4/05.
|
|