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Wie Feuer und Eis
Die Gruppe "Madrugá Flamenca" mit Sybille Märklin in der Centralstation
DARMSTADT. Anfangs tritt Sybille Märklin wie die legendäre La Singla im Hosenanzug auf,
wirkt darin aber erotischer als nachher in Rüschentanzkleidern. Im Finale kommt sie wieder
in Hosen und mit Spazierstock, mit dem sie eingangs bereits den Viervierteltakt der Farruca
energisch mitklopfte. Die wird meist von Männern getanzt, aber diesmal stampft die grazile
Märklin mit den Füßen ein Trommelfeuer in den vibrierenden Bühnenboden. Feuer und Eis, das
ist der Flamenco, von dem es annähernd 40 in Takt, Rhythmus und Stimmung völlig unterschiedliche
Gattungen gibt mit einem Themenspektrum, das von Verzweiflung und Weltschmerz bis zu flammender
Erotik und überschäumender Lebensfreude reicht.
Die in Freiburg ansässige Gruppe „Madrugá Flamenca“, die am Samstag in der Darmstädter
Centralstation gastierte und mit ihrem Programm frenetischen Jubel auslöste, gibt dem
Flamenco mit Texten (aus den „Poemas de amor“) des chilenischen Dichters und
Literaturnobelpreisträgers Pablo Neruda auch eine literarische Komponente.
„Yo desperté y a veces – Ich erwachte, und manchmal zieh’n flüchtend fort Vögel, die
schliefen in meiner Seele“ ist eines der kunstvoll-meisterlichen Sprachgebilde, die aus
dem Off der 1973 verstorbene Neruda selbst oder live der Gitarrist Jörg Hofmann rezitiert,
der sich bei der Zugabe als großartiger Flamencotänzer entpuppt.
Klarheit und Gradlinigkeit markieren den Tanz von Sybille Märklin, die mit flatternden Händen,
phänomenal geschmeidigen Armbewegungen und mit freiem Schwung der Hüften ihren ausgeprägten
Formwillen dokumentiert. Wie Schmetterlinge kreisen die Hände beim „Bienen“-Gedicht, wo der
jähe Wechsel von tänzerischer Rasanz bis zur statuarischen Starrheit besonders eindrucksvoll
gelingt. Das heiterste Stück ist ein Bekenntnis: „Hier liebe ich Dich“. Sibylle Märklin
kokettiert mit dem Publikum und lässt als stolze Schöne jene emotionale Kraft des Flamenco
spüren.
Darmstädter Echo, 25/9/06.
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