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Rhythmischer Feuersturm
Eine Tanzperformance, die sich sehen lassen kann: Madrugá flamenca ehrt Pablo Neruda
"Weiße Biene, Du summst trunken vor Honig in meiner Seele" - unvorstellbar für den zwanzigjährigen
Pablo Neruda, dass sein Gedichtband "veinte poemas de amor", der 1921 unter "Modernisten" von Santiago
Sürme der Begeisterung auslöste, zum bestverkauften seines Kontinents werden sollte. Fast noch
unwahrscheinlicher: Dass er einer jungen deutschen Flamencoformation zur Vorlage einer Tanzperformance
dienen würde. Die Freiburger Sybille Märklin und Jörg Hofmann haben sich an den Stoff heran gewagt, um
dem Nobelpreisträger im späten Jahr seines 100. Geburtstags eine Hommage darzubringen, die sich sehen
lassen kann.
Ein dreimal ausverkauftes Freiburger Wallgrabentheater und ein dreimal begeistertes Publikum gaben ihnen
Recht. Wellenrauschen, Möwenschreie und aus dem Off die basstief säuselnde Stimme des Dichters - so begann,
so endete der Abend. Und plötzlich steht Sybille Märklin da, schillerndes Zentrum des vierköpfigen Ensembles
"madrugá flamenca". Steht da, statuenhaft, im schwarzen Hosenanzug, weißer Bluse und wallendem Haar, den
Spazierstock herausfordernd in den Boden gerammt. Gespannte Erwartung, die sich im rhythmischen Feuersturm
entlädt.
Freier und gewagter ist Märklins Tanz geworden; fließender und noch geschmeidiger. Das strenge Staccato des
Flamenco bildet gleichsam das Korsett, aus dem sich die Tänzerin in ausgreifenden Gesten befreit, das sie mit
größter Entschiedenheit immer wieder zurückfordert. Dabei zeigt sie die vollkommene Balance aus Selbstvergessenheit
und Kontrolle, die den Seiltanz zwischen klassischem Flamenco und Ausdruckstanz gelingen lässt. Märklin will Nerudas
Texte weniger interpretieren als sie zur Musik vermitteln. Jörg Hofmann, der die Verse mit zarten Gitarrenklängen
ummantelt, gibt dem Metaphernreichtum in Nerudas Poesie mit sanfter Stimme Raum.
Und die Rhythmik des Versmaßes überführen Frank Bockius (Perkussion) und Markus Lechner am Kontrabass in pulsierende
Flamenco-Jazz-Mixtur. Stimmig als lyrischer Beiklang auch Jörg Benzings Querflötensolos. Schade nur, dass nicht mehr
aus Nerudas vielleicht bestem Buch in deutscher Übersetzung zu hören war. Dass es dennoch zu einem spannungsvollen
Dialog kam zwischen Tanz, Wort und Musik, Tradition und Moderne, dies allerdings stand am Ende dieses Abends außer
Frage. Eine Frau, ein Ensemble mit Klasse.
Badische Zeitung, 12/04.
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