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Zwischen Nacht und Tag
Jazziger Flamenco im Theater Bühneli
Lörrach. Vom Leben der Minenarbeiter in Ost-Andalusien, von Arbeit und Mühsal, Liebe und Leidenschaft,
erzählt die Flamenco-Formation "Madrugá Flamenca". Die vierköpfige Freiburger Truppe gastierte am
Sonntag Abend im Theater Bühneli.
Augenblicke zwischen Nacht und Tag - Momentos entre noche y día - stehen im Zentrum des Auftritts.
Und diese Augenblicke können bekanntlich jedwede Art von Gefühl beinhalten. Ebenso vielseitig
ist die tänzerische und musikalische Bandbreite von Madrugá Flamenca.
Zum Ensemble gehören die ausdrucksstarke Tänzerin Sybille Märklin, Flamencogitarrist, Sänger und
Komponist Jörg Hofmann, Querflötist Jörg Benzing und Kontrabassist Markus Lechner. Jeder der vier
kann künstlerisch für sich alleine stehen und es ist eine kluge Entscheidung, alle Mitglieder mit
ausgedehnten Soli zum Zuge kommen zu lassen, während die anderen mit rhythmischen Palmas (Händeklatschen)
und nur äußerst dezenten Zurufen den Flamenco lediglich präsent halten - vielleicht so, wie es zu einer
deutschen Formation mit deutschem Publikum passt.
Jung, unverklemmt und experimentierfreudig, aber immer orientiert am klassischen Vorbild, präsentiert
sich die Truppe, egal ob die Inspiration eine Gasse oder ein Gedicht von Pablo Neruda geliefert hat.
Vielfach orientieren sich die Musiker am Jazz - längst haben Paco de Lucia, Al Di Meola und John Mclaughlin
oder Vince Mendoza und Arif Mardin bewiesen, dass die Kombination der Stile schlichtweg formvollendet ist.
Wie beim Jazzpaña-Projekt von Mendoza/Mardin wird dem Bass bei Madrugá Flamenca eine tragende Rolle zuteil,
und wenn Lechners virtuos-kraftvolles Zupfen im Mittelpunkt steht, weht mehr als nur ein Hauch von lässigem
Cool Jazz durch Andalusien.
Statt Saxophon, Posaune oder Klarinette setzt Madrugá auf die Querflöte, und mit ihr kommt ab und zu fast
Grieg´sche Morgenstimmung auf - kein Wunder, Madrugá heißt soviel wie Tagesanbruch, Morgenstunde. Der
Mittelpunkt bleibt aber Sybille Märklin, die sich mit ihrem Tanz keiner Stilrichtung verschließt und
viele moderne Tanzelemente in ihre Choreographie eingearbeitet hat.
Wie eine Schauspielerin schlüpft sie in alle menschlichen Gemütszustände, tanzt den Flamenco mal auf
einem Stuhl sitzend, mal nur mit den Armen, während sie langsam über die Bühne geht und ihren unergründlichen
Blick sehnsuchtsvoll in unbestimmte Ferne richtet.
Gleich zu Beginn streift sie den hautengen Rock ab und präsentiert die Hosen eines Matadors, aber nur, um
gleich wieder als Lady im eindeutigen Red aufzutauchen. Flamenco ist ein Spiel mit den Gefühlen - unter dem
schwarzen, schleierhaften Überkleid einer Witwe trägt die Tänzerin wallendes Weiß, die Trauer weicht dem Zorn
und dieser der Lust all das, wie es zum modernen Flamenco gehört, nicht ohne überbordende Leidenschaft und
selbstironische Komik.
Oberbadisches Volksblatt, 4/04.
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