|
|
Das Glück hat Flügel
Ganz im Augenblick: "El tiempo es un pajarillo verde" von Madrugá Flamenca im Theater Freiburg.
Die Tür der Voliere steht offen. Der Vogel, dem hier einmal die Freiheit genommen wurde, hat längst das Weite gesucht.
Immer wieder wird der Käfig, der im Großen Haus des Freiburger Theaters hoch im Schnürboden hängt, im Verlauf des Abends
angestrahlt. "El tiempo es un pajarillo verde – Die Zeit ist ein kleiner grüner Vogel" ist das Leitmotiv und zugleich
Titel des neuen Programms von Madrugá Flamenca. Jenem Ensemble, das sich mitten in Freiburg vorgenommen hat, dem
Flamenco Avantgardegeist einzuhauchen.
Die Bühne ist in blaues Licht getaucht, Jörg Hofmann rezitiert das Gedicht vom kleinen grünen Vogel, später wird er
es auf Deutsch sprechen. Es erzählt die Geschichte vom Menschen und seiner Lebenszeit, auch von der Endlichkeit und
dem stillen, befreienden Glück, das im Einhalten liegt. Es ist ein flüchtiges Glück, das Flügel hat. Sybille Märklin
greift die Musik auf, schnalzt und lässt die Arme in fließenden Bewegungen tanzen, mit kurzen akzentuierten Schritten
stößt sie die Schleppe des Rockes zur Seite. Dann nach wenigen Minuten ein erster Kostümwechsel. Der lange weiße Rock
mit unzähligen Volants, der von allen Kostümen am meisten einem traditionellen Flamencokleid entsprechen wird, weicht
einem schlichten schwarzen volantbesetzten Rock. Die Bewegungen werden nun freier, Armschwünge scheinen das Fliegen
der Vögel anzudeuten, einmal wirkt es so, als hielte sie bergend einen kleinen Vogel in ihren Händen. Am Ende des
Stückes wird die Tänzerin wieder in den Schlepprock steigen. "El tiempo es un pajarillo verde" ist nicht nur ein
starker Anfang eines gut zweistündigen Abends, es ist auch ein programmatischer. Ein wenig ist in dieser Freiheit,
die sich das Ensemble nimmt mit eigenen Texten, Kompositionen, Choreografien und einer besonderen Theatralik mit
durchaus narrativen Zügen, die Ästhetik von Madrugá Flamenca formuliert.
Das fünfköpfige Ensemble – um Sybille Märklin und Jörg Hofmann (Gitarre und Gesang) gruppieren sich Jörg Benzing
(Querflöte), Markus Lechner (Kontrabass) und Patric Oliver Hetzinger (Perkussion) – wechselt zwischen musikalischen
Flamencostilen und Texten, manches ist von Goethe inspiriert, für ein anderes Stück griff man ein Gedicht des
chilenischen Lyrikers Pablo Neruda auf. Seit ihrer Gründung sucht Madrugá Flamenca die Nähe zu den anderen Künsten.
Ihre Programme sind dabei auch immer Bühnenshow, die Tänzerin ist zum Publikum ausgerichtet, sie dreht auf der Großen
Bühne weite Kreise, oft ist die Choreografie parallel zur Bühnenkante ausgerichtet. Dass es auch intimer geht, werden
die Zugaben am Schluss zeigen.
Aber "El tiempo es un pajarillo verde" ist keine Soloshow der so charismatischen wie präzisen Tänzerin Sybille Märklin,
die souverän zwischen den verschiedenen Gefühlslagen des Flamenco wechseln kann. Die Vorstellung ist auch Konzert. Es
geht um das gemeinsame Musizieren, wovon die Tanzschritte nicht ausgeschlossen bleiben. Da reiht sich Märklin unter
die Musiker ein und steuert mit Händen und Füßen rhythmische Akzente bei, da sind ein Flötensolo und ein energetisches,
vorantreibendes Duo von Jörg Hofmann und Patric Oliver Hetzinger zu hören.
"El tiempo es un pajarillo verde" ist ein sehr ästhetischer Abend bis ins Detail, wenn sich die Silhouetten der Musiker
schwarz vor dem gelb-blauen Hintergrund abheben und sich Märklins Hände zu schönen Bildern fügen. Melancholie und
unmittelbare Lebensfreude muss man nicht als Widerspruch denken.
– Weitere Vorstellungen: 14. und 15. August im Rathausinnenhof. Vorverkauf: Wallgraben-Theater, Tel. 0761/25656.
Badische Zeitung, 6/11.
|
|